Der Journal Club im Mai 2024 beschäftigte sich mit dem Thema: „Pflegerischer Dokumentationsaufwand“. Im Plenum wurden die Belastung durch den Dokumentationsaufwand und der Zusammenhang mit Burnout besprochen.
Dieser Artikel beschreibt die aktuelle Situation der Pflegedokumentation von Pflegefachpersonen in Krankenhäusern. Dazu wurden Pflegefachpersonen durch einen Online-Fragebogen befragt.
In deutschen Krankenhäusern beanspruchen patientenferne Tätigkeiten etwa 28 Prozent der Arbeitszeit des Pflegefachpersonals, wobei die Dokumentation und Administration den größten Anteil ausmachen. Die Pflegedokumentation verursacht jährlich Kosten in Höhe von ca. 2,7 Mrd. Euro. Der größte Anteil entfällt dabei mit 1,9 Mrd. Euro auf das Ausfüllen von Leistungsnachweisen. Dieser Vorgang wird mit einem durchschnittlichen Zeitaufwand von neun Minuten pro Tag und Pflegebedürftigem etwa 408 Millionen Mal pro Jahr durchgeführt. Trotz des zeitlichen Aufwands ist die Pflegedokumentation von entscheidender Bedeutung, da sie nicht nur für die Abrechnung mit den Kostenträgern dient, sondern auch die Behandlungsqualität, Pflegekontinuität und Patientensicherheit sicherstellt. Da keine aktuellen Studien zu diesem Thema vorliegen und die verfügbare Datenlage begrenzt ist, wurde die Studie initiiert, um eine umfassende Bewertung der aktuellen Zustände bezüglich der Organisation und des zeitlichen Aufwands der Pflegedokumentation vorzunehmen.
Die Befragung fand zwischen dem 01.02.2021 und dem 31.03.2021 statt und wurde mithilfe eines Online-Fragebogens (LimeSurvey) durchgeführt. Zielgruppe waren die Pflegefachpersonen der Partnerkrankenhäuser des Forschungsprojektes, darunter zwei Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung sowie eine Rehabilitationsklinik. Insgesamt nahmen 74 Pflegefachpersonen an der Befragung teil, was etwa 14 Prozent der insgesamt 531 angestellten Pflegefachpersonen in den drei Pilotkrankenhäusern entspricht. Der Fragebogen umfasste 91 Fragen zu verschiedenen Themenbereichen, darunter Kerndaten, Pflegesystem/Pflegeplanung, Zuständigkeitsbereiche/Arbeitsbedingungen sowie Pflegedokumentation und Technikbereitschaft. Die Auswertung erfolgte hauptsächlich durch deskriptive statistische Methoden, insbesondere eindimensionale Häufigkeitsverteilungen zur Analyse der Skalenfragebögen. Zudem erfolgte eine sensorbasierte Messung zur Erfassung der Dokumentationszeit.
Die Befragung von Pflegefachpersonen zeigte, dass sie im Schnitt 52 Minuten pro Schicht für die Dokumentation aufwenden, was die Patientenbetreuung unterbricht. Eine sensorbasierte Langzeitmessung ergab eine durchschnittliche Dokumentationsdauer von 109 Minuten pro Schicht. Hauptprobleme im Arbeitsalltag sind das hohe Patientenaufkommen (20 Prozent), Koordination mit anderen Berufsgruppen (16 Prozent) und ein Mangel an Arbeitsmitteln wie PCs (14 Prozent). 82 Prozent der Befragten wünschen sich mehr Zeit für die Patientenbetreuung, ohne Dokumentation. Technische Assistenzsysteme könnten die Dokumentationszeit reduzieren und dem Pflegefachpersonal mehr Zeit für andere Aufgaben ermöglichen. 77 Prozent können sich vorstellen, durch solche Systeme unterstützt zu werden, und 71 Prozent könnten sich vorstellen, dass sie die gesamte oder einen Teil der Dokumentation übernehmen.
Die Pflegedokumentation beansprucht einen beträchtlichen Teil der Arbeitszeit des Pflegefachpersonals und ist oft von organisatorischen Problemen und Störfaktoren beeinträchtigt. Viele Pflegefachpersonen geben an, dass sie ohne Dokumentation mehr Zeit für die direkte Pflege ihrer Patientinnen und Patienten hätten und offen für assistive Technologien sind. Die Ergebnisse betonen den Bedarf an neuen assistiven Technologien. Insgesamt zeigen die Ergebnisse den Bedarf an Maßnahmen zur Digitalisierung oder Automatisierung der Pflegedokumentation in Krankenhäusern.
Das Plenum hält 28% der Arbeitszeit für Dokumentation für realistisch. Die Einführung der digitalen Dokumentation bedeutet jedoch nicht automatisch eine Zeitersparnis. Obwohl das Suchen von Kurven entfällt, wird die digitale Dokumentation oft als zeitaufwendig empfunden, insbesondere wenn das Programm z.B. lädt. Die Methodik der Studie wurde dahingehend kritisiert, dass eine Befragung für dieses Thema nicht optimal geeignet sei. Stattdessen wäre eine teilnehmende Beobachtung oder eine Analyse der Dokumentationsprogramme sinnvoller.
Kaczmarek, S., Hintze, M., Fiedler, M., Grzeszick, R. (2023): Whitepaper. Pflegedokumentation in Krankenhäusern- Eine quantitative Studie. Frauenhofer IML. doi: 10.24406/publica-1827
Diese Studie erforscht die Beziehung zwischen der Dokumentationslast und dem Burnout-Syndrom bei Pflegefachpersonen, die in der direkten Patientenversorgung arbeiten.
In den letzten Jahren ist das Burnout-Syndrom bei Pflegefachpersonen immer häufiger geworden. Etwa 38% der Pflegefachpersonen geben an, mindestens ein Symptom von Burnout zu erleben. Faktoren wie hoher Stress, moralische Belastung und Unzufriedenheit mit der Arbeit tragen zum Burnout bei. Die Dokumentation der Patientenversorgung ist ein weiterer belastender Faktor, der genauer untersucht werden sollte. Lokale, staatliche und föderale Richtlinien erhöhen die Arbeitsbelastung für Gesundheitsdienstleister, insbesondere im Zusammenhang mit der Dokumentation. Die Benutzerfreundlichkeit der elektronischen Patientenakte ist ein entscheidender Faktor, der jedoch noch nicht ausreichend erforscht ist, insbesondere in Bezug auf Pflegefachpersonen. Die Pflege ist Hauptnutzer dieser Systeme und muss eine hohe Anzahl von Datenpunkten dokumentieren, was zusätzlichen Stress verursacht. Diese Belastungen können zu negativen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit führen. Während es Studien zur Dokumentationsbelastung bei ärztlichem und pflegerischen Fachpersonal gibt, ist die Forschung mit dem Fokus auf Pflegefachpersonen noch begrenzt.
Es wurde eine Querschnittserhebung durch eine Umfrage mit der Software Qualtrics durchgeführt. Die Umfrage bestand aus den drei validierten Instrumente:
Die Einschlusskriterien waren Pflegefachpersonen mit mindestens 1 Jahr Berufserfahrung und Erfahrung in der Dokumentation in einer elektronischen Datenbank. Nach der Entfernung der Befragten mit fehlenden Daten, gab es insgesamt 69 Teilnehmer in der endgültigen Analyse.
Analyse des Dokumentationsaufwands und Burnout:
Er wurden verschiedene Abschnitte der MBI-HSSMP mit einzelnen Subdomänen der BuRDoNSaM anhand des Pearson-Korrelationstest korreliert. Die Analyse wurde mithilfe der Statistiksoftware IBM SPSS durchgeführt.
Analyse der System-Benutzerfreundlichkeit und Burnout:
Es wurden verschiedene Abschnitte der MBI-HSSMP mit den mit den Ergebnissen der BurDoNsaM-Umfrage korreliert. Und Abschnitte des MBI-HSSMP mit Ergebnissen der SUS anhand des Pearson-Korrelationstest korreliert.
Die Teilnehmer erlebten ein moderates Niveau von Burnout in allen drei Bereichen. Die Variablen der Dokumentationsaufwand-Subskala und der emotionalen Erschöpfung zeigte eine schwache bis moderate positive Korrelation. Die Dokumentationslast steht daher in einem schwachen bis mittleren Zusammenhang mit dem Burnout-Syndrom.
Es wurde eine statistisch signifikante (p < 0,001) schwache negative Korrelation zwischen der System-Benutzerfreundlichkeit und der emotionalen Erschöpfung festgestellt. Eine schlechte Benutzerfreundlichkeit der elektronischen Patientenakte steht daher mit dem Dokumentationsaufwand und dem Burnout-Syndrom in Verbindung.
Es sind weitere Studien zur Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit der Pflegedokumentation innerhalb der elektronischen Patientenakte nötig. Forschung über das Vorhandensein von Dokumentationsaufwandes und dessen Zusammenhang mit dem Burnout-Syndrom sollten sich auf spezifische Bereiche der Pflege konzentrieren, um die Ursachen der Dokumentationslast zu entschlüsseln.
Auch bei dieser Studie wurde die Wahl der Methodik diskutiert. Die Stichprobe war zu klein und die Instrumente wurden ohne erneute Überprüfung modifiziert. Darüber hinaus ist Burnout multifaktoriell. Wenn jemand von Burnout betroffen ist, wird alles als belastend empfunden, auch die Dokumentation. Es wurde betont, dass Korrelation nicht Kausalität bedeutet.
Insgesamt wurde auch die Dokumentation in der Praxis diskutiert. Oft werden unwichtige Dinge dokumentiert, wie z.B. das Beziehen des Bettes. Manchmal wird die Dokumentation als Fleißbeweis missverstanden, was nicht immer sinnvoll ist.
Gessner, E., Dykes, P., Zhang, L., Gazarian, P. (2022): Documentation Burden in Nursing and Its Role in Clinician Burnout Syndrome. In: Appl Clin Infom 13 (5), 983–990. doi: 10.1055/s-0042-1757157.
Joelle Bieneas, Lisa Fischer