Journal Club UKA – Ethische Entscheidungsfindung in der professionellen, pflegerischen Patientenversorgung

Lisa Fischer M. Sc. and Joelle Bieneas B.A./ Februar 9, 2024/ Beruflich Pflegende, Journal Club, Pflegestudierende, Pflegewissenschaft/ 0Kommentare

Der Journal Club im Januar 2024 beschäftigte sich mit dem Thema „Ethische Entscheidungsfindung in der professionellen, pflegerischen Patientenversorgung“. Im Plenum wurden die Begriffe professionelle Ethik und ethische Kompetenz im Pflegeberuf näher beleuchtet.

Artikel 1: Professionelle Ethik in der Pflege: Ein integratives Review (Kangasniemi et al. 2014)

Dieser Artikel versucht den Begriff professionelle Ethik der Pflege zu definieren, indem eine integrative Literaturrecherche durchgeführt wurde.

Hintergrund

Die Ethik ist international als grundlegender Bestandteil der Pflegearbeit anerkannt. Die ethischen Fragen, mit denen die Pflege konfrontiert sind, reichen von klinischen Situationen bis hin zu Entscheidungen über die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen sowie anderen Berufsgruppen. Diese Herausforderungen werfen Wertfragen auf, die auf ethischer Ebene betrachtet werden müssen. Die Geschichte der Pflege zeigt, dass Ethik seit den Anfängen ein wesentlicher Bestandteil des Berufs ist. Professionelle Ethik bezieht sich auf die moralischen Normen einer bestimmten Berufsgruppe, um ethisch zweideutige Situationen zu bewältigen und Schaden zu verhindern. Obwohl ethische Fragen im Pflegeberuf wissenschaftlich erforscht wurden, fehlt bisher eine umfassende Synthese über professionelle Ethik.

Methode

Es wurde eine angepasste Version von Coopers fünfstufigem integrativen Überprüfungsprozess verwendet, um den aktuellen Wissensstand zu evaluieren und zusammenzufassen. Die elektronischen Datenbanken CINAHL, PubMed und Scopus wurden für die Recherche genutzt. Um mögliche Verzerrungen zu vermeiden, wurden frühere Studien in allen verfügbaren Sprachen berücksichtigt. Der zeitliche Rahmen wurde nicht eingeschränkt und alle Originalartikel seit dem Beginn der Datenbanken (frühestens 1948) bis Februar 2013 einbezogen. Von den ursprünglichen 4.377 Artikeln wurden in fünf Schritten Auswahlkriterien angewandt, basierend auf Titeln (n = 245), Abstracts (n = 90), Volltexten (n = 46), Entfernung von Duplikaten (n = 32) und Einschluss- sowie Ausschlusskriterien. Das Resultat waren 14 Artikel über professionelle Ethik im Pflegeberuf.

Ergebnisse

Von den 14 analysierten Arbeiten waren acht von theoretischer Natur, drei quantitative und drei qualitative Studien. Alle diese Arbeiten wurden zwischen 1987 und 2010 veröffentlicht. Ursprünglich war der Begriff der professionellen Ethik eher von religiösen Einflüssen geprägt. Die Grundlage der professionellen Ethik liegt im persönlichen Engagement und der Verantwortlichkeit der Pflegefachperson. Sie umfasst Selbstachtung und Selbsteinschätzung und trägt maßgeblich dazu bei, die Beziehungen der Pflegenden zu Patientinnen und Patienten, Leitungspersonen und anderen Interessensgruppen zu gestalten. Die professionelle Ethik setzt sich aus Werten, Pflichten, Rechten und Verantwortlichkeiten zusammen, die durch nationale Gesetze, internationale Vereinbarungen und Berufskodizes geregelt sind. Obwohl die professionelle Ethik in der Pflege fest etabliert ist, unterliegt sie den Einflüssen interner und externer Faktoren, die den Beruf beeinflussen.

Diskussion und Fazit

Der Forschungsbedarf ist erheblich. Obwohl die professionelle Ethik in der Pflege von offensichtlicher Bedeutung ist, wurde sie in der Pflegewissenschaft bisher nur unzureichend erforscht. Es besteht ein dringender Bedarf an vertieftem Verständnis der professionellen Ethik, um die moralische Entscheidungsfindung von Pflegefachpersonen zu unterstützen. Dies ist besonders wichtig, um angemessen auf die Herausforderungen des aktuellen Wandels im Gesundheitswesen und in der Gesellschaft zu reagieren.

Fazit und Kommentare aus dem Plenum des Journal Clubs:

Inhaltlich wurde ergänzt, dass berufliche Erfahrung und Fortbildungen eine bedeutende Rolle beim Erlernen von Reflexion spielen, was wiederum für die Entwicklung der professionellen Ethik entscheidend ist. Besonders ausführlich wurde die Diskussion über die inkludierten Artikel geführt. Es fällt auf, dass nur eine deutsche Studie identifiziert wurde und dass erst ab dem Jahr 1978 Artikel aus den USA auftauchen, obwohl die Pflegewissenschaft dort zu diesem Zeitpunkt bereits fortgeschritten war. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass in den USA mehr Wert auf evidenzbasierten Forschung gelegt wird, während solche theoretischen Themen möglicherweise weniger Beachtung finden.

Allerdings ist zu bemängeln, wie relevant die Ergebnisse mancher Artikel für die aktuelle professionelle Ethik der Pflege sind, da die Gesellschaft und das Gesundheitswesen in der Zwischenzeit einen erheblichen Wandel durchlebt haben.

Kangasniemi, M., Pakkanen, P., Korhonen, A. (2014): Professional ethics in nursing: an integrative review. In: Journal of Advanced Nursing 71 (8), 1744-1757. dot: 10.1111/jan.12619.

Artikel 2: Ethische Kompetenz: Ein integratives Review (Lechasseur et al. 2018)

Diese Studie erarbeitet eine Definition von ethischer Kompetenz in der Pflegepraxis anhand eines Literature Reviews.

Hintergrund

Ethik bildet einen wesentlichen Bestandteil der pflegerischen Praxis, jedoch ist die Definition von ethischer Kompetenz noch immer unklar. Es existieren zahlreiche Konzepte und Theorien zu ethischen Kompetenzen. Im Allgemeinen fehlt es jedoch an einer angemessenen Integration dieser Kompetenzen in die Lehrpläne. Ein vertieftes Verständnis von Ethik könnte dazu beitragen, den Umgang mit moralischen Fragestellungen und psychischem Stress in der Pflege zu verbessern. Es besteht die Notwendigkeit, einzelne Kompetenzen und ihre Inhalte zu konkretisieren und zu vereinen.

Methode

In dieser Studie wurde ein integratives Review durchgeführt. Dabei wurden die Datenbanken Embase, CINAHL und Medline sowie die Zeitschrift Nursing Ethics durchsucht. Die Suche wurde auf den Zeitraum von 2009 bis 2014 begrenzt. Zudem wurden nur Artikel in Englisch und Französisch sowie Artikel, die sich explizit auf die Pflege beziehen, berücksichtigt. In den Datenbanken wurden 43 Artikel gefunden, 24 weitere Artikel wurden in der Zeitschrift identifiziert. Nach der Analyse der ersten 67 Artikel wurden weitere 22 Studien in die Untersuchung eingeschlossen. Insgesamt wurden somit 89 Studien gefunden.

Ergebnisse

Es wurden 6 Kompetenzen gebildet:

  • Ethische Sensibilität: Die Fähigkeit, ethische Spannungsfelder, die in verschiedenen Situationen auftreten können, insbesondere in Bezug auf andere Personen, zu erkennen.
  • Ethisches Wissen: Das Wissen, das aus einer Kombination aus philosophischem, theoretischem und praktischem Wissen unter Berücksichtigung des Kontextes und der beteiligten Personen besteht.
  • Ethische Reflexion: Ein integrativer Reflexionsprozess, der die verschiedenen Alternativen zu ethischen Problemen in Betracht zieht.
  • Ethische Entscheidungsfindung: Ein Entscheidungsprozess, der darauf abzielt, eine vernünftige und verantwortungsvolle Wahl aus einer Reihe von Alternativen zu treffen.
  • Ethisches Handeln: Ein Handeln, das das Ergebnis einer kritischen Reflexion und Analyse ist und von dem Wunsch geleitet wird eine Person zu unterstützen.
  • Ethisches Verhalten: Eine Haltung, die durch Mäßigung und Respekt gegenüber dem anderen gekennzeichnet ist.

Diskussion und Fazit

Obwohl ethische Kompetenz als unverzichtbare Voraussetzung in der Pflegepraxis betrachtet wird, gibt es in der Literatur keinen einheitlichen Konsens über ihre Definition. Die Identifikation ihrer Bestandteile und der damit verbundenen Beziehungen, die sich aus dieser umfassenden Untersuchung ergeben, trägt zur Klarstellung der Definition bei. Dies legt den Grundstein für weitere Studien, die zu einem verbesserten Verständnis ihrer Entwicklung beitragen können, insbesondere im Kontext von praktizierenden Pflegefachpersonen sowie den Einflussfaktoren, die dabei eine Rolle spielen können. Darüber hinaus könnten besser angepasste Ausbildungsstrategien vorgeschlagen werden, um die Entwicklung ethischer Kompetenz zu unterstützen.

Fazit und Kommentare aus dem Plenum des Journal Clubs:

Die Diskussion im Plenum konzentrierte sich hauptsächlich auf die Methodik der Studie. Diese wurde nicht sehr detailliert beschrieben und zudem wurde kein Prisma-Modell verwendet. Zusätzlich wurden 22 Studien hinzugefügt, die nicht über den Suchstring, sondern in der Literatur der ersten 67 Artikel gefunden wurden. Daher stellt sich die Frage, ob der Suchstring gut konzipiert wurde und ob die Studie somit methodisch qualitativ hochwertig ist. Ein Aspekt, der möglicherweise in den Limitationen der Studie hätte erwähnt werden können.

Lechasseur, K., Caux, C., Dollé, S., Legault, A. (2018): Ethical competence: An integrative review. In: Nursing Ethics 25 (6), 694-706. doi: 10.1177/0969733016667773. 

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Lisa Fischer M. Sc.
Pflegewissenschaftlerin am Universitätsklinikum Augsburg
Joelle Bieneas B.A.
Pflegewissenschaftlerin am Universitätsklinikum Augsburg

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